Dabei ist es historisch interessant, daß bis Ende der 70er Jahre dieses Jahrhunderts Erektionsstörungen als überwiegend psychogen klassifiziert wurden, obwohl bereits Eckhard 1863 und später v. Ebner erste physiologische Untersuchungen des Erektionsablaufs duchgeführt hatten [3, 4]. Diese Erkenntnisse gerieten leider lange Jahrzehnte in Vergessenheit. Erst die Möglichkeit der Induktion einer artiflziellen Erektion durch Injektion vasoaktiver Substanzen sollte das anatomische und physiologische Grundverständnis des Erektionsablaufs ändern und die bis dato geltende Lehrmeinung einer arteriellen Shunttherorie in Frage stellen [2].
Nach dem ursprünglichen Konzept von Conti [2] wurde die Erektionseinleitung und ihre Aufrechterhaltung allein über einen arteriellen Blutshunt kontrolliert, wonach die Umleitung des Blutflusses in die Corpora cavernosa durch die von Ebner [3] beschriebenen muskulären Polster sowohl im afferenten als auch im efferenten Schenkel des penilen Gefäßnetzes ermöglicht wird. Nach diesem Konzept galten die kavernösen Hohlräume lediglich als passives Blutreservoir, die den erhöhten Bluteinstrom bzw. das dadurch bedingte vermehrte Blutvolumen während der Erektion aufzunehmen hatten.
Aufgrund tierexperimenteller Untersuchungen wurde im Laufe der 80er Jahre die Vorstellung einer allein durch den arteriellen Einstrom in "passive kavernöse Hohlräume" kontrollierten Erektionsentstehung zugunsten einer aktiven Regulation durch die glattmuskulären Anteile der Corpora cavernosa revidiert [5, 9, 10, 14, 15]·
Experimentelle hämodynamische Untersuchungen unter Pharmakostimulation bestätigten schließlich, daß der Erektionsmechanismus als ein komplexes Phänomen zu verstehen ist, basierend auf einer arteriellen Dilatation, kavernösen Relaxation und venösen Restriktion [8,9,16]. Rasterelektronenmikroskopische Untersuchungen der penilen Anatomie an Mensch und Tier zeigten erstmals eine dreidimensionale Darstellung der erektilen Penisarchitektur sowohl im erigierten als auch im nichterigierten Zustand [5,6].
Aufgrund dieser Arbeiten ließ sich ein neues Konzept des Erektionsmechanismus ableiten, bei dem der Relaxation der glatten Schwellkörpermuskulatur eine Schlüsselstellung zukommt. Nach heutigem Kenntnisstand läßt sich die penile Erektion wie folgt erklären:
Basierend auf diesem erweiterten Grundverständnis, lassen sich die Anatomie und die Physiologie der penilen Erektion beschreiben.
Entgegen einer Reihe von Tierspezies stehen beim Menschen die paarig angeordneten Corpora cavernosa durch ein inkomplettes Septum miteinander in direkter Verbindung (Abb. 4.1). Beide Schwellkörper werden von der rigiden Tunica albuginea umhüllt, wodurch eine vollständige Separation des unterhalb der Corpora cavernosa liegenden, die Harnröhre ummantelnden und mit der Glans penis in direktem anatomischen Zusammenhang stehenden Corpus spongiosum erreicht wird.
Wie sich anhand eines schematischen Bildes (Abb. 4.2) zeigt, werden die beiden Schwellkörper durch die paarig angeordneten Aa. profundae penis versorgt, neuronal durch Innervation über die Nn. cavernosi. Zwischen der sog. Buck-Faszie und der Tunica albuginea verlaufen die paarig angeordneten Aa. und Nn. dorsales penis, jeweils lateral der zentral sitzenden V. dorsalis penis profunda mit ihren Zirkumflexvenen, die allesamt in die Glans penis einmünden (s. Abb. 4.2). Über einen Muskelbandapparat (Mm. ischiocavernosi und M. bulbospongiosus) wird die Penisbasis an der Symphyse und Bauchwand fixiert.
Die Gefäßversorgung der beiden Schwellkörper verläuft primär über die paarig angeordneten Aa. profundae penis mit ihren korkenzieherartig gewundenen Rankenarteriolen (Aa. helicinae). Die Glans penis wird durch die beiden Aa. dorsales penis versorgt, die gemeinsam ihren Ursprung von der A. pudenda interna nehmen. Nur die Corpora cavernosa sorgen für die Rigidität bei Erektion. Sie sind durch ein dreidimensionales Netzwerk aus Bindegewebe und glattmuskulären Muskelzellen aufgebaut. Neben den tiefen Vv. cavernosae an der Penisbasis sorgt ein distal-subtunikal gelegenes und über Zirkumflexvenen drainierendes Venengeflecht für den venösen Abfluß aus den kavernösen Hohlräumen.
Im nichterigierten Zustand sind die kleinen, in die sinusoidalen Hohlräume mündenden Arteriolen eng gestellt und korkenzieherartig gewunden (Abb. 4.3). Durch die korkenzieherartige Anordnung der Arteriolen wird eine Peniselongation erst möglich, die zu einer Streckung nicht nur des erektilen Gewebes, sondern auch der vaskulären Strukturen der Schwellkörpermuskulatur führt. Über intersinusoidale Querverbindungen kommunizieren die kavernösen Hohlräume miteinander (s. Abb. 4.3).
Neben diesen funktionell relevanten Arteriolen finden sich zusätzlich kleine nutritive Kapillaren, mit einem maximalen Gefäßdurchmesser von 15 ]lm. Die zwischen den kavernösen Hohlräumen bestehenden intersinusoidalen Verbindungen sind deutlich erweitert, was die freie Kommunikation zwischen mehreren Sinusoidalräumen der Corpora cavernosa ermöglicht und somit die Schwellkörper zu einer funktionellen Einheit werden läßt (Abb. 4.5).
Auf der venösen Seite findet sich im nichterigierten Zustand, zwischen der Oberfläche der glatten Schwellkörpermuskulatur und der rigiden Tunica albuginea, ein im distalen Penisdrittel gelegenes subtunikales Venengeflecht mit einzelnen, die Tunica albuginea penetrierenden Vv. emissariae (Abb. 4.6). Die kavernösen Hohlräume, die durch das Venengeflecht drainiert werden, sind maximal kontrahiert; auf ihrer Oberfläche quer zur bedeckenden Tunica albuginea verläuft das venöse Drainagenetz.
Während im nichterigierten Zustand der subtunikal gelegene venöse Venenplexus vollständig zur Darstellung gelangt, zeigt sich unter der Erektion ein ganz anderes Bild: Durch die massive Relaxation der glatten Schwellkörpermuskulatur mit deutlicher Erweiterung der Sinusoidalhohlräume mit konsekutiver Blutfüllung kommt es aufgrund der besonderen anatomischen Lage des subtunikal gelegenen Venengeflechts zu einer Kompression der kleineren und größeren Intermediärvenolen (s. Abb. 4.5), was zu einer venösen Okklusion führt. Lediglich einzelne Vv. emissariae, die die Tunica albuginea penetrieren, bleiben offen und sichern auf diese Weise, auch im voll erigierten Zustand, einen kontinuierlichen Blutaustausch im Penis.
Aufgrund unserer rasterelektronmikroskopischen Untersuchungen läßt sich die Erektionsmechanismus wie folgt beschreiben: Während im nichterigierten Zustand die intrakavernös verlaufenden Aa. profundae penis und deren Arteriolen sowie die kavernösen Hohlräume maximal kontrahiert sind, ist das venöse Drainagenetz maximal weitgestellt und erlaubt so einen freien Blutabfluß über die Vv. emissariae (Abb. 4-7). Im Gegensatz dazu kommt es während der Erektion zu einer Dilatation des arteriellen Gefäßbaums mit konsekutiver Blutflußzunahme in die maximal relaxierten und weitgestellten Sinusoidalräume bei der Schwellkörper. Die zwischen Schwellkörperoberfläche und Tunica albuginea gelegenen kleinsten Venolen werden zwischen diesen beiden Strukturen komprimiert, was zu einer venösen Restriktion führt. Nur einzelne Vv. emissariae erlauben einen Blutaustausch auch während einer vollständigen Erektion (Abb. 4.8).
Somit läßt sich der Erektionsmechanismus durch 3 Phänomene erklären:
Im Gegensatz zu der rein deskriptiven Anatomie gestaltet sich die Beschreibung des physiologischen Ablaufs der penilen Erektion aufgrund der essentiellen neuropharmakologisch-physiologischen Abläufe deutlich schwieriger. Unter rein physiologischen Gesichtspunkten läßt sich allerdings ein klares Bild des Erektionsmechanismus aufzeigen, der sich auch klinisch, beispielsweise anhand von dopplersonographischen Untersuchungen, am Patienten nachvollziehen läßt.
Prinzipiell unterscheidet man zwei unterschiedliche Arten der Erektion: die psychogene und die reflexogene Erektion. Erstgenannte läuft u. a. über den sympathischen Nervenstrang und unterliegt nicht der Willkür des Patienten [1], letztgenannte ist rein reflexogen und läuft primär auf spinaler Ebene ab [11].
Fortgeleitet vom Erektionszentrum (S 2 - S 4) verlaufen die stimulierenden Impulse über die von Eckhard [4] bereits 1864 beschriebenen Nn. cavernosi (Nn. erigentes). Wie eigene tierexperimentelle Untersuchungen gezeigt haben [11], wird die penile Erektion über die durch die Nn. cavernosi parasympatisch fortgeleitete Relaxation der Schwellkörpermuskulatur und die arterielle Dilatation initiiert.
Der zugrundeliegende Mechanismus auf zellulärer Ebene basiert auf einer Freisetzung von Acetylcholin aus den Nervenendigungen. Acetylcholin aktiviert die NO-Synthetase (NOS), die über eine Kaskade von Reaktionsabläufen Stickoxid (NO) freisetzt. Stickoxid aktiviert die Guanylatcyclase, die aus Guanosylmonophosphat (GMP) zyklisches Guanosylmonophosphat (cGMP) generiert. cGMP bewirkt als Second messenger intrazellulär über eine Verminderung des intrazellulären Kalziumspiegels die Relaxation der glatten Gefäß- und Schwellkörpermuskulatur. Der Abbau von cGMP und damit letztlich die Beendigung der Relaxation erfolgt über Phosphodiesterasen.
Als Folge stellt sich ein intrakavernöser Druckanstieg von 20- 30 cmH2 0 unterhalb des systemischen Blutdrucks ein (Abb. 4.9). Die Zunahme des intrakavernösen Blutvolumens und -drucks führt zu einer Kompression des subtunikal gelegenen Venenplexus zwischen den erweiteren sinusoidalen Hohlräumen und der Tunica albuginea. Durch diesen rein vaskulär durch das parasympathische Nervensystem gesteuerten Mechanismus wird eine maximale Schwellkörpertumeszenz erreicht.
Erst die kurz vor dem Orgasmus herbeigeführte Kompression der tumeszenten Schwellkörper durch die Mm. ischiocavernosi führt zur vollständigen Rigidität der Corpora cavernosa mit Druckwerten, die weit über denen des systemischen Blutdruckes liegen (> 400 mm Hg). Diese Ergebnisse korrelieren mit den Befunden von Lavoisier et al. [13], die ähnliche Ergebnisse hinsichtlich der Reflexkontraktion der Mm. ischiocavernosi und dem intrakavernösen Druckanstieg am Patienten zeigen konnten.
Entgegen ursprünglichen Vermutungen, daß die Detumeszenz als ein rein passiver Mechanismus zu verstehen ist, hat sich anhand experimenteller Untersuchungen [11] gezeigt, daß die Stimulation des sympathisch geprägten Plexus hypogastricus zu einer Detumeszenz der Schwellkörper führt, basierend auf einer Kontraktion der glattmuskulären Anteile der Corpora cavernosa sowie der penilen Arterien (s. Abb. 4.9). Dieser Mechanismus läßt sich auch als inhibitorischer Mechanismus der Erektion beschreiben.
Zusammenfassend läßt sich festhalten, daß eine vollständige Erektion mit maximaler Rigidität davon abhängig ist, daß sowohl das parasympathische als auch das sympathische und somatomotorische Nervensystem intakt sind. Während Initiierung und Aufrechterhaltung der Erektion ein rein parasympathisch-vaskuläres Phänomen darstellen, wird die maximale Rigidität erst durch die Kontraktion der somatomotorisch innervierten Mm. ischiocavernosi im tumeszenten Zustand erreicht. Detumeszenz und Abklingen der Erektion sind primär ein sympathisch gesteuertes Phänomen, das aufgrund einer glattmus kulären Kontraktion zustande kommt und als inhibitorischer Mechanismus beschrieben werden kann.
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