Impotenz ist bei Männern mit Diabetes eine der häufigsten Folgekomplikationen der Erkrankung. Das Auftreten von Potenzproblemen steht in einer deutlichen Beziehung zur Qualität der Stoffwechseleinstellung, dem Vorhandensein anderer Risikofaktoren, der Diabetesdauer und dem Alter. Aus Untersuchungen weiß man, daß rund 30 - 50 % aller Diabetiker im Verlauf ihrer Erkrankung damit rechnen müssen, mit dem Problem der erektilen Dysfunktion konfrontiert zu werden [10, 16]. In Deutschland sind schätzungsweise rund 750000 - 1250 000 Männer mit Diabetes irgendwann von diesem Problem betroffen. Im Vergleich zu Männern ohne Diabetes haben Diabetiker somit ver gleichsweise ein deutlich erhöhtes Risiko bezüglich des Auftretens der erektilen Dysfunktion. Personen mit Diabetes stellen daher zahlenmäßig eine der größten Gruppen von Männern mit Potenzproblemen dar.
Im Vergleich zu allen anderen Folgeerkrankungen des Diabetes fällt es anscheinend Fachleuten wie auch Betroffenen jedoch auch gegenwärtig noch sehr schwer - trotz einer Enttabuisierung im Umgang mit sexuellen Themen im Alltag und der sog. "sexuellen Befreiung" unserer heutigen Zeit -, mit dieser Komplikation des Diabetes umzugehen. Impotenz ist die mit Abstand am wenigsten erforschte, diagnostizierte und therapierte Folgekomplikation des Diabetes [7]. Nicht anders ist der Umstand zu erklären, daß die wenigsten männlichen Diabetiker dieses Problem von sich aus im ärztlichen Gespräch erwähnen, nur ein verschwindend geringer Prozentsatz gezielt eine weiterführende diagnostische Abklärung anstrebt und noch weniger therapeutische Hilfsmöglichkeiten akzeptieren [2,6].
Insgesamt überwiegt - zumindest zum heutigen Zeitpunkt - der Anteil der Männer mit Diabetes und Potenzproblemen, die bisher noch nie eine professionelle Hilfe aufsuchten, sich keiner weiterführenden Diagnostik unterzogen und keine therapeutische Hilfestellung wie z. B. Medikamente, Hilfsmittel oder therapeutische Gespräche in Anspruch nahmen (s. Abb. 6.22). Auf der anderen.
Seite wird das Problem der erektilen Dysfunktion jedoch auch von der Mehrzahl der Ärzte und den Mitgliedern des Diabetesteams geflissentlich übergangen, häufig als unabänderbares Schicksal des Krankheitsverlaufes des Diabetes dargestellt, mit untauglichen Therapieempfehlungen (z. B. Verschreibung pseudodurchblutungsfördernder Medikamente) behandelt und viel zu selten fachgerecht diagnostiziert und therapiert.
Will man das Hauptziel der Diabetestherapie - den Erhalt einer möglichst befriedigenden Lebensqualität trotz und mit Diabetes - ernstnehmen, dann sollte eine fundierte Diagnostik bezüglich sexueller Funktionsstörungen und Behandlungsangebote zur Therapie der erektilen Dysfunktion jedoch ein selbstverständlicher, integraler Bestandteil jeder Diabetestherapie sein: Immerhin ist fast jeder zweite bis dritte männliche Diabetiker von dieser Problemsituation betroffen!
In der Praxis kann dies nur gelingen, wenn
Zumindest jede diabetologische Schwerpunkteinrichtung, ob stationär (z. B. Diabetes-Fachklinik) oder ambulant (diabetologische Schwerpunktpraxis ), sollte verpflichtend eine enge Kooperation mit einem Urologen oder einer UfOlogischen Abteilung und einem Psychotherapeuten oder einer psychotherapeutischen Einrichtung pflegen, so daß die unterschiedlichen diagnostischen und therapeutischen Schritte aufeinander abgestimmt werden können.
Während man früher die erektile Dysfunktion auch bei Diabetikern primär als ein psychogen verursachtes Problem verstand, gewann man im Verlauf der letzten 10 Jahre durch intensive Forschung und bessere Möglichkeiten der Diagnostik ein deutlich besseres Verständnis der Regulationsmechanismen der männlichen Erektion und möglicher pathologischer Prozesse [8]. Hierbei wurde zunehmend deutlich, daß es sich bei der Genese der erektilen Dysfunktion häufig um ein multikausales Geschehen handelt und organische Gründe bei der Verursachung eine weit wichtigere Rolle spielen, als früher angenommen.
Das gilt insbesonders für Männer mit Diabetes, bei denen organische Faktoren bezüglich der Genese der erektilen Dysfunktion im Vergleich zu psychischen Ursachen überwiegen. Dies ist dadurch begründet, daß viele Diabetiker neben dem Diabetes eine Reihe anderer Risikofaktoren aufweisen (z.B. Hypertonie, Dyslipoproteinämie). In seltenen Fällen - beim Typ-II-Diabetes - kann die erektile Dysfunktion auch schon der Diabetesmanifestation vorangehen oder das erste Anzeichen dieser Krankheit sein, da der Ausbruch des Diabetes nur eine Komponente des komplexeren "metabolischen Syndroms" darstellt, das bereits vor dem Diabetes über einen längeren Zeitraum gefäßschädigend wirken kann.
Bei längerer Diabetesdauer und einer chronischen hyperglykämischen Stoffwechseleinstellung nimmt das Risiko zu, Folgekomplikationen des Diabetes zu bekommen, die das für eine Erektion notwendige Wechselspiel von kavernösvenösen, arteriellen und nervalen Komponenten empfindlich stören oder auch vollständig blockieren können. Vor allem vaskuläre Schädigungen (durch Mikro- und/oder Makroangiopathien) als auch neurogene Läsionen (Polyneuropathien) sind hierfür hauptsächlich verantwortlich. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit einer temporären, passageren Potenzstörung als Folge momentan stark erhöhter Blutzuckerwerte. Zudem nehmen Diabetiker auch häufig Medikamente ein, die einen erektionshemmenden Effekt besitzen (z. B. antihypertensive Medikation, Lipidsenker).
Diese veränderte Sichtweise der erektilen Dysfunktion hat dazu geführt, daß von verschiedenen Autoren sehr vorschnell der Schluß gezogen wurde, bei der erektilen Dysfunktion - und insbesondere bei der Gruppe der Diabetiker mit häufig zusätzlichen, krankheitsbedingten somatischen Risikofaktoren - handle es sich um ein rein organisch bedingtes Problem, das relativ unabhängig von psychologischen Faktoren zu betrachten und behandeln sei [41. Während die Tendenz, sexuelle Störungen somatisch zu begreifen, durchaus sinnvoll ist und zu mehr Klarheit bei der Diagnosestellung und den Therapieempfehlungen führt, birgt diese Sichtweise jedoch die Gefahr, die erektile Dysfunktion zu einer Störung einer Organ funktion zu reduzieren. Dies wird jedoch der Bedeutung und Komplexheit der menschlichen Sexualität in keiner Weise gerecht.
Da die verschiedenen Einflußfaktoren der erektilen Dysfunktion auf der somatischen, psychischen und Verhaltensebene in einer Art Ursachenbündel in einandergreifen, kann somit eine Unterscheidung in "organische" und "psychogene" Erektionsstörungen nur heuristischen Wert besitzen, da es sich hierbei in der Regel nur um sehr unscharfe Mischkategorien handelt. Aus diesem Grund wird zurecht von verschiedenen Autoren [1,9,12] vorgeschlagen, die traditionelle Unterscheidung einer "Organogenese" und "Psychogenese" der erektilen Dysfunktion zugunsten einer biopsychosozialen Perspektive aufzugeben, wie dies auch einem verhaltensmedizinischen oder psychosomatischen Denken entspricht.
Psychologische Faktoren sind zu einem hohen Maße dafür verantwortlich, ob ein Diabetiker Impotenz als Problem erlebt, wie er auf die Diagnose reagiert und damit umgeht, ob und in welchem Umfang er sich für eine weiterführende Diagnostik und Therapie entscheidet und die vorgeschlagenen Therapiernaßnahmen auch tatsächlich durchführt. Auch die Auswirkungen der erektilen Dysfunktion auf das Selbstwertgefühl, die Partnerschaft und die erlebte Lebensqualität hängt oft viel weniger von dem Schweregrad der Funktionsstörung, sondern eher von der individuellen psychischen Bewältigung bzw. der Art der Kommunikation zwischen den Partnern ab.
Dieser Umstand bedeutet jedoch keineswegs, daß diese Männer nicht auch ein Bedürfnis danach haben, sich im Rahmen einer Schulungsveranstaltung, einem Einzelgespräch oder einer Gruppe Gleichbetroffener über ihre verminderte Sexualität auszutauschen. Häufig wird hierbei die Frage gestellt, ob dieses Verhalten "normal" sei und ob dies anderen Männern auch so gehe. Für wieder andere Männer hat die Sexualität entweder aus persönlichen Gründen oder aufgrund der Partnersituation keinen großen Stellenwert, so daß auch der Verlust der Erektionsfähigkeit als nicht sehr problematisch erlebt wird.
Von den Männern, für die die erektile Dysfunktion ein Problem darstellt (und dies ist der weitaus größere Anteil aller Betroffenen), sucht jedoch wiederum nur ein gewisser Prozentsatz - zumeist unabhängig vom Ausmaß der erektilen Dysfunktion - das Gespräch über die sexuellen Schwierigkeit.:::1 oder versucht gezielt Hilfestellungen zu bekommen. Das Ansprechen von Erektionsschwierigkeiten scheint noch immer für viele Männer sehr problematisch zu sein, so daß über diese im Rahmen der Anamnese zumeist nicht spontan, sondern erst auf genaues Nachfragen berichtet wird [5].
Welche Auswirkungen ein Nichtkommunizieren über Potenzschwierigkeiten haben kann, illustriert sehr eindrucksvoll ein Fallbericht von O'Dell und Shipp [11], die beschreiben, wie sich ein Mann wiederholt Insulin in den Penis spritzte, in der Vorstellung, dadurch seine Potenz wieder zu erlangen.
Auf der anderen Seite ist es heute leider noch immer nicht selbstverständlich, daß jeder Mann im Rahmen der Diabetestherapie nach möglichen sexuellen Funktionseinbußen befragt wird und ein Beratungsangebot erhält. Wie Smith [141 in einer Untersuchung an Patienten mit erektiler Dysfunktion im Alter zwischen 20 und 54 Jahren zeigen konnte, wurde fast keiner der betroffenen Diabetiker professionell beraten. Die Männer wandten sich daher zunächst an Menschen außerhalb des Diabetesbehandlungsteams: 46,2 % suchten das Gespräch mit einem Apotheker, 15,3 % mit einem Priester, 11,5 % redeten mit Freunden über die Problematik, J,7 % suchten von sich aus einen Urologen auf und 3,8 % einen Psychologen.
Zu einem ähnlichen Ergebnis kamen wir bei der Auswertung der Patientenfragebogen im Rahmen der "Männerrunde" unserer Klinik, wo der überwiegende Anteil aller Männer angab, bisher noch keinerlei Behandlungsversuche unternommen zu haben. Hier bietet gerade eine diabetologische Schwerpunkteinrichtung einen geeigneten Rahmen für das Ansprechen dieser Problematik, da dort die Barriere zum Reden über sexuelle Schwierigkeiten von den Betroffenen als deutlich geringer erlebt wird als bei ihrem Hausarzt oder Urologen vor Ort. Auch fällt es unserer Erfahrung nach viel leichter, im Zusammenhang mit der Erkrankung Diabetes mögliche Erektionsprobleme anzusprechen.
Auch der weiterführende Schritt, sich einer ausführlichen Diagnostik zu unterziehen, wird weniger von dem klinischen Befund als vielmehr von den persönlichen Einstellungen der Betroffenen beeinflußt. Vielfach verzichten Männer mit Diabetes nach genauer Aufklärung über mögliche Therapieempfehlungen, die sich aus dem Diagnostikprozeß ergeben könnten - z. B. Schwellkörper-Autoinjektionstherapie (SKAT), Vakuumpumpe, Penisprothese, Sexualberatung/-therapie - auf weitere diagnostische Maßnahmen [21. Hierfür können Schamgefühle oder Ängste (z. B. Angst, sich eine vasoaktive Substanz in die Peniswurzel spritzen zu lassen), moralische bzw. religiöse Vorstellungen (z. B. die Meinung, eine mögliche pharmakologische oder technische Hilfestellung zur Erlangung einer Erektion widerspreche dem eigentlichen natürlichen Verlauf einer Erektion) oder auch das fehlende Einverständnis der Partnerin verantwortlich sein.
Eine ausführliche Beratung, wie sie beispielsweise in unserer Klinik im Rahmen der wöchentlich stattfindenden "Männerrunde" erfolgt oder auch in einem Einzelgespräch stattfinden kann, in der vor einer Entscheidung für mögliche diagnostische Maßnahmen dem Patienten auch schon die möglichen therapeutischen Konsequenzen verdeutlicht werden, kann dazu beitragen, eine überflüssige Diagnostik zu vermeiden, die für den Patienten möglicherweise belastend und für den Kostenträger teuer ist. Ein gezieltes Ansprechen möglicher Barrieren für eine weiterführende Diagnostik kann auf der anderen Seite helfen, irrationale Ängste abzubauen und die Entscheidungsfähigkeit des Patienten und seines Partners für gezielte diagnostische Maßnahmen fördern .
So kann beispielsweise die Angst vor prolongierten Erektionen oder das Schamgefühl vor der Inanspruchnahme eines urologischen Notdienstes bei einem möglicherweise auftretenden Priapismus eine ganz entscheidende Barriere für die Anwendung der SKAT-Therapie darstellen. Eine Vakuumpumpentherapie schreckt viele Männer bei der ersten Demonstration ab, da die nichtdiskrete Anwendungsweise einen selbstbewußten Umgang mit diesem Hilfsmittel erfordert. Die Implantation einer Penisprothese ist für viele Diabetiker aufgrund des hohen Aufwandes, der für diese Patientengruppe erhöhten möglichen Operationsrisiken bzw. Nebenwirkungen, der Endgültigkeit dieses Schrittes und einer oft nicht vorhandenen Akzeptanz des Partners keine realistische Alternative.
Die Entscheidung, alleine oder mit dem Partner psychotherapeutische Unterstützung in Anspruch zu nehmen, hängt ebenfalls weniger von dem diagnostischen Befund ab, sondern zu einem höheren Ausmaß von der individuellen Einstellung zur Sexualität CZ. B. Bereitschaft, über die eigene Intimsphäre zu reden), der persönlichen Einschätzung des Therapeuten CZ. B. Vertrauen zum Therapeuten) oder möglichen attribuierten Inhalten einer Therapie Cz. B. praktische Übungen). Psychologische Unterstützung wird erfahrungsgemäß zudem in der Regel nur sehr zögerlich in Anspruch genommen, wenn es sich um einen Konsildienst oder eine externe Beratungsstelle handelt [15].
Durch eine übermäßige gedankliche Beschäftigung mit dem eigenen Sexualverhalten, durch die Neigung, sich während des Sexualaktes bewußt zu kontrollieren oder durch Gedanken an mögliche Konsequenzen einer erneuten Versagenssituation kommt es bei vielen Männern bei dem ersten Auftreten von Erektionsproblemen zu einem deutlichen Verlust an Spontaneität und einer zunehmenden kognitiven Kontrolle des Sexualverhaltens. Oft werden Männer in solch einer Situation auch sehr viel sensibler bezüglich tatsächlicher oder überspitzt wahrgenommener bzw. antizipierter negativer Reaktionen des Partners. Dies steigert wiederum die Versagensängste und führt häufig zu einem ausgeprägten Vermeidungsverhalten mit der Folge, daß sexuelle Kontakte eher vermieden werden bzw. eine Kommunikation mit dem Partner über ein Versagenserlebnis nicht stattfindet.
Wie bei allen Ängsten verstärkt ein ausgeprägtes Vermeidungsverhalten sowie eine starke kognitive Beschäftigung mit möglichen negativen Folgen die Angst vor einem erneuten Versagen ("Angst vor der Angst"). Dies kann dazu führen, daß die Sexualität nicht mehr als ein spontanes, lustvolles Erlebnis wahrgenommen, sondern innerhalb einer Beziehung als zunehmend streßhaft und angstbesetzt erlebt wird und nachhaltige Auswirkungen auf die Lebensqualität und die Partnerbeziehung hat. Dieser "Teufelskreis", bestehend aus Frustrationserlebnissen, Selbstzweifeln, Versagensängsten, zunehmender kognitiver Kontrolle und Vermeidungsverhalten sowie einer erhöhten Sensibilität bezüglich tatsächlicher oder antizipierter Reaktionen der Umwelt, tritt nahezu bei allen sexuellen Funktionsstörungen - unabhängig von der ätiologischen Genese - auf. Bei Männern mit Diabetes ist aufgrund von Stoffwechselentgleisungen (passagere Potenzprobleme aufgrund einer schlechten Stoffwechseleinstellung) jedoch die Wahrscheinlichkeit erhöht, daß irgendwann sexuelle Versagensängste auftreten und damit der beschriebene "Teufelskreis" in Gang kommt.
Auch das Wissen um ein erhöhtes Risiko, als Diabetiker Potenzprobleme bekommen zu können - was beispielsweise in der Diabetesschulung thematisiert wird - kann zu einer ausgeprägten Erwartungsangst mit selbstverstärkendem Charakter führen. Wie stark die erektile Dysfunktion hierbei das eigene Selbstwertgefühl und die Partnerschaft beeinflußt, ist hierbei oft relativ unabhängig von dem Schweregrad der Funktionsstörung und hängt vielmehr von der individuellen Bewältigung, der Kommunikation zwischen den Partnern bzw. der Inanspruchnahme von kompetenten Hilfsmöglichkeiten ab.
Da sexuelle Probleme eine sehr häufig auftretende Folgekomplikation der Grunderkrankung Diabetes sein können, sollte dieser Aspekt der Erkrankung auf jeden Fall in der Diabetesschulung behandelt werden. Dies hat zum einen präventive Bedeutung, da Potenzprobleme ja keineswegs eine unausweichliche Konsequenz des Diabetes darstellen und ein Diabetiker somit Möglichkeiten aufgezeigt bekommt, wie Potenzprobleme verhindert werden können. Zum andern kann ein Diabetiker bei bereits bestehenden Potenzproblemen näheres über mögliche Einfluß- und Bedingungsfaktoren der Impotenz und weiterführende Diagnostik- und Therapiemöglichkeiten erfahren. Auch der Austausch mit anderen Gleichbetroffenen, die sich aufgrund der Prävalenzzahlen der Impotenz bei Diabetes in fast jeder Gruppe finden, kann eine wertvolle Hilfe für den weiteren Umgang mit dem Problem darstellen.
Sowohl die Art der Schulung (möglichst nicht im Vortragsstil, sondern im Dialog) als auch das Setting (möglichst nicht in einer Großgruppe, Gruppe gemeinsam mit Frauen) sollte der Behandlung dieses auch für viele Therapeuten nicht einfach anzusprechenden Themas angepaßt sein. Obwohl wir in unserer Klinik sehr gute Erfahrungen mit wöchentlichen Gruppenveranstaltungen gleichbetroffener Männer gemacht haben, sollte auf jeden Fall die Möglichkeit gegeben sein, in einem separaten Rahmen (Einzelgespräch in einem Raum, der einen Schutz der Intimsphäre des einzelnen garantiert) diese Problematik besprechen zu können.
Das Ziel aller therapeutischen Bemühungen bei der erektilen Dysfunktion im Zusammenhang mit Diabetes sollte darin bestehen, dem Patienten eine Möglichkeit anzubieten, mit einem möglichst sowohl diabetologisch als auch sexualmedizinisch versierten Fachkundigen über seine Problematik reden zu können, ihm weiterführende diagnostische Abklärungsmöglichkeiten vorzuschlagen und ggf. verschiedene Behandlungsmöglichkeiten zu offerieren.
Häufig steht jedoch in der Praxis die somatische Diagnostik mit der Argumentation, vor einem zielführenden Gespräch müßten erst die Befunde erhoben werden, in der Reihenfolge vor einem ausführlichen anamnestischen Gespräch. Dabei kann man mit Hilfe einer strukturierten Anamnese oft schon ausreichende Informationen über die Genese bzw. das weitere diagnostische Vorgehen der erektilen Dysfunktion erlangen [1,13]. Folgende Faktoren können hierbei als Hinweise für eine eher organische oder psychogene Verursachung der erektilen Dysfunktion angesehen werden:
Für die Planung von Therapieangeboten ist es wichtig, den unterschiedlichen Bedürfnissen von Patienten Rechnung zu tragen, die vom Wunsch nach aus schließlichen Informationen über die Genese der erektilen Dysfunktion und deren Behandlungsmöglichkeiten bis hin zu zeit- und kostenintensiven diagnostischen wie therapeutischen Interventionen reichen können. Angesichts der geschilderten Vernetzung psychologischer und somatischer Faktoren sollten sowohl die Diagnostik als auch die Therapie der erektilen Dysfunktion bei Männern mit Diabetes auf der Basis eines verhaltensmedizinischen Denk- und Behandlungsmodells erfolgen sowie grundsätzlich interdisziplinär durchgeführt werden.
Wie die Praxis zeigt, hängt der Erfolg von Therapiernaßnahmen stark davon ab, inwieweit das Therapieangebot sehr niederschwellig gehalten wird und ein Austausch der verschiedenen Fachdisziplinen stattfindet. Daher sollte in jeder ambulanten und stationären diabetologischen Schwerpunkteinrichtung angesichts der Häufigkeit von Impotenzproblemen bei Diabetikern ein Konzept zur systematischen Anamnese, Diagnostik, Schulung und Therapie existieren und eine enge Kooperation mit einem Urologen oder einer urologischen Abteilung und Psychotherapeuten oder einer psychotherapeutischen Einrichtung vorhanden sein.
In unserer Klinik, einer Diabetesfachklinik, haben wir sehr gute Erfahrungen mit einer systematischen Befragung der Patienten in der Anamnese, einer weiterführenden Diagnostik mit Hilfe eines Fragebogens, einer gemeinsam von einem Arzt und Psychologen geleiteten wöchentlich stattfindenden "Männerrunde" zur Information, individuellen Diagnostik und Möglichkeit des Austauschs von gleichermaßen Betroffenen sowie dem Angebot weiterer Diagnostikmaßnahmen, weiterer Gespräche und des Einleitens von Therapiernaßnahmen gemacht (ausführlichere Beschreibung in [6]). Als Vorteil hat sich hierbei erwiesen, daß die Behandlung der Impotenz im Kontext der Diabetestherapie stattfindet, das Behandlungsangebot für den Patienten transparent ist und nicht zuletzt aufgrund des persönlichen Kontakts zu den Therapeuten durch die "Männerrunde" das interdisziplinäre Angebot einer weiterführenden Diagnostik und Therapie sehr häufig wahrgenommen wird.
Nimmt man das Problem der erektilen Dysfunktion bei Diabetes ernst, so sollte man sich stets bewußt sein, daß therapeutische Angebote sich nicht nur auf die Männer beschränken sollten, die von sich aus das Problem ansprechen, und auch dem Umstand Rechnung tragen, daß doch der größere Anteil von Diabetikern keine weiteren therapeutischen Schritte anstrebt. Auch für diese Patienten stellt sich jedoch die Aufgabe, mit der Tatsache einer schwindenden oder fehlenden Potenz zurecht zu kommen, sich darüber mit dem Partner auszutauschen - was vielen Männern sehr schwer fällt - und neue Formen der Sexualität auszuprobieren.
Letztendlich sollte daher das Ergebnis der therapeutischen Bemühungen darin bestehen, dem Patienten (und seinem Partner) eine Hilfestellung zu geben, zu einer Entscheidung für die Therapiemaßnahme zu gelangen, die für ihn (für beide) am besten paßt. Diese Therapiemaßnahme sollte zu einer erhöhten sexuellen Zufriedenheit, Verminderung der Versagensängste und letztendlich einer Verbesserung der Lebensqualität beitragen. Es bleibt wichtig anzumerken, daß hierzu die Wiederherstellung der Erektionsfähigkeit des Mannes entscheidend beitragen kann, nicht aber unbedingt muß!
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